Priester sein in der Ferne
Für uns ist die Dominikanische Republik ein Urlaubsparadies. Wie kam es, dass Du 2016 nach Graz gekommen bist?
Die spanischsprechende Gemeinde in Graz-St. Andrä wünschte sich einen eigenen Seelsorger, was der damalige Pfarrer Hermann Glettler sehr unterstützte. Als mich mein Bischof fragte, ob ich nach Graz gehen wolle, habe ich sofort Ja gesagt, auch wenn ich damals außer „Danke“ noch nicht Deutsch sprechen konnte. Ich wollte hier auch mein Studium fortsetzen.
Warst Du das erste Mal in Europa? Wie hast Du Österreich erlebt?
Ja, ich war das erste Mal in Europa. Ich kam im März, es war Winter, und es war kalt. Es war sehr interessant für mich, eine andere Kultur kennen zu lernen, es war aber auch schwierig, wie von vorne beginnen zu müssen. Ich war ja zu Hause schon Pfarrer gewesen. Positiv war für mich, dass hier alles so organisiert und diszipliniert ist. Eine negative Überraschung war, dass es im gesundheitsbewussten Europa so viele Raucher gibt. Bei uns wird immer weniger geraucht – obwohl wir gute Zigarren haben.
Was war eine besondere Herausforderung?
Die Sprache. Ich konnte nicht so sein, wie ich bin. Als Priester konnte ich nicht alles sagen, was ich sagen wollte. Ich feiere gerne sehr frei und lebendig die Messe. Auf Deutsch konnte ich es nicht auf meine Weise machen. Auch dass ich mit den Leuten nicht immer so in Kontakt sein konnte aufgrund der anderen Kultur. Die Menschen brauchen Liebe, ich konnte diese Liebe aber nicht so ausdrücken.
Wie wichtig sind fremdsprachige Gemeinden?
Die Religion ist Teil der Kultur und Tradition der Menschen. Gottesdienst in der eigenen Sprache zu feiern ist auch eine Form der Integration. Die Kirche nähert sich damit allen Kulturen und akzeptiert sie. Und die Gemeinden sind dankbar, dass ihnen von der Kirche geholfen wird. Die größte Bedeutung ist, dass die Kirche sagt: Ich bin da für und mit euch.
Ist Priestersein in Deiner Heimat anders?
Bei uns müssen die Priester immer in der Gemeinde sein, nicht nur für die Religion, sondern für alle Probleme. Sie sind Psychologen, Professoren, Vater und Mutter. Sie sind mittendrin, sie leben mit den Leuten. Hier ist die Stadt sehr gut in sozialen Belangen. Bei uns müssen die Priester diesbezüglich viel machen, auch in der Verwaltung. Ich hatte als Pfarrer eine Kirche mit 15 Filialkirchen, und jede Filialkirche wurde von einem Laien, meistens von einer Frau, geleitet.
Wie sind die Pfarren aufgestellt?
Wir haben SekretärInnen, aber keine PastoralreferentInnen. Alle Arbeiten wie Katechese sind ehrenamtlich, der Priester muss alles organisieren. Wir versuchen auch immer, die Kranken zu besuchen. Wenn eine Person einmal nicht in die Kirche kommt, fragen wir nach, was mit ihr ist. Wir leben Synodalität, obwohl die Leute nicht wissen, was das ist.
Gibt es einen Kirchenbeitrag?
Nein, wir leben von den Spenden der Laien. Wenn die Kirche etwas hat, bekommt der Priester etwas, wenn nicht, nicht. Die Pfarre muss zudem Aktivitäten setzen und Geld für Projekte und Bauvorhaben sammeln. So wissen die Leute aber auch, es ist ihre Kirche.
Wie sieht der Kirchenbesuch in der Dominikanischen Republik aus?
Der hängt viel von dem Priester ab, wie er mit der Gemeinde umgeht. Wenn der Priester sehr dynamisch ist, dann kommen viele Leute. Die Leute wollen, dass du immer mit ihnen in Kontakt bist. Wenn du nicht in
Kontakt bist, dann kommen sie auch nicht. Und du hast auch nichts zu essen.
Warum bist Du selbst Priester geworden?
Ich hatte schon als Kind dieses Gefühl, dass Gott wollte, dass ich Priester werde. Ich fühle, wenn die Leute unzufrieden sind. Ich will, dass sie Frieden haben. So versuche ich immer, die Probleme, vor allem die spirituellen, zu lösen. Die Priester können viel für die Menschen machen, sie sind wie ein Arzt für die Seele.
Hattest Du ein besonderes Vorbild?
Ich habe eine sehr gute Familie, wollte als Kind aber bei meinen Großeltern wohnen. Mein Großvater war sehr gläubig und sozial engagiert. Mit ihm habe ich schon ganz früh mit der Bibel lesen gelernt. Er war immer überzeugt, dass ich Priester werden würde – auch als ich selbst zweifelte und das Priesterseminar zeitweilig verlassen hatte.
Was nimmst Du von der Kirche in Österreich an Impulsen mit?
Die Ausbildung in der katholischen Kirche in Österreich ist gut, und sie bereiten auch die Laien gut vor. Die Organisation ist ebenso sehr gut, bei uns sind die Pfarren sehr frei. Es ist besser, wenn die Diözese mehr bestimmt und es mehr Struktur und Kommunikation gibt.
Du hättest statt Priester auch Profi-Baseballspieler werden können. Was gibt Dir Kraft?
Ich betreibe gerne Sport wie Basketball, Bowling, Surfen, Schwimmen, Angeln …
Das Meer ist für mich natürlich besonders. Und ich mag die Anbetung, diese Beziehung mit Gott, allein mit ihm zu sein. Dabei kannst du erfahren, was Gott für dich will. Als ich damals das Priesterseminar verlassen hatte, erlebte ich bei der Anbetung meine Berufung neu.
Du bist ab Herbst 2022 wieder in Deiner Heimat tätig als Pfarrer und Studierendenseelsorger. Gibt es ein Wiedersehen?
Natürlich, selbstverständlich, die Steiermark ist meine zweite Heimat, vor allem Graz!
Dr. theol. Darwin Fermin Rosario Rosario, geb. 1984 in San Francisco de Macoris (Dominikanische Republik), 2011 Priesterweihe, 2011–2012 Kaplan in El Factor und Los Limones de Nagua, 2012–2016 Pfarrer in El Limon de Samaná, 2016–2022 Seelsorger für die spanischsprechende Gemeinde in der Diözese Graz-Seckau und Kaplan in Graz-St. Andrä und Karlau, 2022 Promotion zum Doktor der Theologie in Graz bei Dekan Univ.-Prof. DDr. Pablo Argárate.