Thomas-Gespräch SPECIAL
Auch mit vierzig Personen ist ein „Thomas-Gespräch“ über den unbequemen Jesus möglich.
Am 9. Jänner war Mitautor Michael Lehofer zu Gast im Stadtpfarrhof und vierzig Personen folgten der Einladung des Kircheneckleiters Robert Hautz, der den Abend moderierte.
Im ersten Teil erzählte Psychiater Michael Lehofer wie das Buch "Die fremde Gestalt - Gespräche über den unbequemen Jesus" durch eine Begegnung mit Bischof Hermann Glettler entstand.
Schriftsteller Anton Christian Glatz und Robert Hautz berichteten, wie durch ihre Begegnung in der Herrengasse die sogenannten „Thomas-Gespräche“ im Kircheneck entstanden und seit über einem Jahr obiges Buch kapitelweise gelesen und diskutiert wird.
Der Apostel Thomas - als Zweifler und Ungläubiger bekannt - ist der Namensgeber der „Thomas-Gespräche“. Diese Gespräche richten sich an Suchende, Zweifelnde und Glaubende, denn "Jesus gehört nicht den Gläubigen allein. Er gehört auch den Verunsicherten und Zweiflern", schreibt Bischof Hermann Glettler und letztlich sind wir alle Suchende, meinte Robert Hautz.
Im zweiten Teil wurde die Bibelstelle vom Jüngsten Gericht bei Matthäus 25 von Sabine Stering vorgelesen, die im Buch „Die fremde Gestalt“ in Kapitel 23 besprochen wird. Nun war jede und jeder eingeladen mit zu diskutieren, wie Theologe Florian Mittl berichtet, der neben Psychiater Michael Lehofer, Schriftsteller Anton Christian Glatz und Familienberaterin Sabine Stering am "Podium" war:
Beeindruckend war die Fülle der Themen und Assoziationen, die die Bibelstelle ausgelöst hat. Wie im Untertitel des Buches angedeutet, ist Jesus mitunter „unbequem“. Die Gerichtsrede aus Matthäus 25 hat für manche Zuhörende wieder die Rede vom strafenden Gott wachgerufen. Diese „schwarze Pädagogik“ hat es tatsächlich in der Kirchengeschichte immer wieder gegeben und die Möglichkeit der ewigen Verdammnis in der Hölle ist immer wieder vonseiten der Amtskirche missbraucht worden, allerdings gibt es in der Bibel auch viele Stellen, die von der Rettung aller Menschen sprechen. Die Bibel ist immer als Ganzes zu lesen, Stellen dürfen nicht aus dem Kontext gerissen werden.
Die Gerichtsrede hat aber insofern auch heute Bedeutung, als „unser Leben kein unverbindliches Spielen in der Sandkiste ist“ (Hermann Glettler), sondern Konsequenzen hat. Anstelle von strafenden Höllenqualen spricht man heute aber vom Selbstgericht angesichts der bedingungslosen Liebe Gottes, der man nach dem Tod ausgesetzt ist. Bei der Begegnung mit dem Schöpfergott wird man sich seines Scheiterns bewusst und geht mit sich selbst ins Gericht. Sünde wird gemäß seiner Wortherkunft (griech. hamartia = “Zielverfehlung“) daher auch nicht mehr mit mahnendem Finger und Schuldzuweisung gleichgesetzt, sondern als Einschränkung meiner selbst und Verfehlung meines Menschseins in einer bestimmten Situation gesehen. Sünde verletzt immer Beziehungen – zu mir, anderen Menschen und Gott.
Michael Lehofer ergänzte, dass der Mangel an Liebe die Ursache vieler Probleme unserer Zeit ist. Wird das Ego (verstanden als „die Summe der Vorstellungen von sich selbst“) nicht von der göttlichen Liebe durchdrungen, kommt es zu negativen Handlungen.
Michael Lehofer hat sich auch sehr für die Barmherzigkeit Gottes stark gemacht. Auf den Vorwurf, dass Barmherzigkeit ein nettes Wort ist und nur vertröstet und nichts an den Wurzeln der Übel ändert, hat Lehofer betont, dass Sprache nicht nur im Sprachzentrum des Gehirns stattfindet, sondern auch im motorischen Kortex. Wort und Tat sind also miteinander verbunden und es heißt immer wieder im Neuen Testament, dass die Menschen aufgrund seiner Worte und Taten zu Jesus strömten.
Interessant war auch Lehofers Antwort auf die Frage nach seinem Gottesbild: „Es geht mir nicht so sehr um den Gottesglauben, sondern um die Gotteserfahrung.“ Erfahrung war ja auch der Anlass für das Buch: Ausgehend von einem Gespräch mit Hermann Glettler über die Begegnung Jesu mit der syrophönizischen Frau (Matthäus 15), haben die beiden beschlossen, ein Buch über Jesus zu schreiben.
Viele ermutigende Rückmeldungen lassen an eine Fortsetzung in dieser größeren Form denken.
Fotos: Nicola Werbanschitz